DNA-Analyse

DNA - Analyse


Letzte Änderung: Dienstag, 08.01.2002

 

Erläuterungen in beiden Prozessen zur DNA von Dr. Förster, LKA Stuttgart:

 

DNA-Gutachten von Dr. Förster - Strafprozess 1998:

Zur Interpretation dieser Untersuchungsergebnisse hat der Sachverständige Dr. Förster in der Hauptverhandlung ausgeführt, daß bei der angewandten, äußerst sensitiven und damit oft den Nachweis kleinster Mengen kernhaltigen Zellmaterials ermöglichenden Untersuchungsmethode von der Innenseite des im Schlafzimmer der Tatortwohnung im Bett aufgefundenen Fingerlingabschnitts DNA habe isoliert werden können, deren mengenmäßig größter Anteil dem Tatopfer Andrea W. zuzuordnen sei. Zusätzliche, weitaus schwächere Banden wiesen auf einen zweiten Spurenverursacher hin. Diese mengenmäßig sich an der Nachweisgrenze bewegenden Antragungen würden nicht mit den Vergleichsblutproben von Thomas H., Wolfgang Z. und Daniela H. übereinstimmen, die somit als Mitspurenverursacher ausschieden. Hingegen würden diese zusätzlichen Antragungen weitgehend mit der Blutprobe des Angeklagten übereinstimmen. Aus dem Umstand, daß bei der Untersuchung der von der Innenseite dieses Fingerlingteils isolierten DNA im TH01 -System die 6er-Bande, die bei der Blutprobe des Angeklagten auftrete, nicht habe nachgewiesen werden können, sei kein Ausschluß des Angeklagten als Spurenverursacher abzuleiten, da sich die DNA-Menge des zweiten Spurenverursachers offenbar an der Nachweisgrenze bewege. Allein deshalb könne auch die - bezüglich der Innenseite dieses Fingerlingabschnitts aufgeführte - I0er-Bande im FES/FPS-System nicht als "voll beweiskräftig" eingestuft werden.
Die Innenseite des Fingerlingteils aus dem Bett betreffend ergäbe sich somit als Fazit, daß bei dieser Spur Andrea W. Hauptspurenverursacherin sei und der Angeklagte als Mitspurenverursacher in Betracht komme, während die übrigen Personen, von denen Blutproben untersucht worden seien, als Mitspurenverursacher auszuschließen seien.

 

DNA-Gutachten von Dr. Förster - Zivilprozess 2001:

Interpretation der Ergebnisse

Die in der Tabelle aufgeführten Befunde erlauben eine Beantwortung der vom Landgericht Karlsruhe aufgeführten Fragen in folgendem Sinne:

1. Die Spur von der Innenseite des Einwegvenylhandschuhs aus dem linken Bett (Asservat TO 11) zeigt als Mischspur weitgehend alle Merkmale des Harry Wörz, es fehlt jedoch bei der Spur im THO 1-System das Merkmal 6, das bei der Vergleichsprobe des Harry Wörz auftritt. Die Spur läßt sich, wegen des fehlenden Merkmals im THO1-System nicht zweifelsfrei Herrn Wörz zuordnen. Es kann daher nicht eindeutig festgestellt werden, ob er ein Mitverursacher dieser Mischspur sein kann. Wie bei dem eingangs zur Verdeutlichung aufgeführten Experiment, Punkt 2, kann jedoch wegen der geringen Spurenmenge nicht ausgeschlossen werden, daß Herr Wörz an der Entstehung der Spur beteiligt ist.

2. Vergleicht man die Befunde der oben genannten Spur (Asservat TO 11, Innenseite) mit den Vergleichsproben des Wolfgang Z., des Thomas H., des G.S. und des M.P., so stellt man eine geringere Übereinstimmung von Merkmalen fest.

Bei der Spur fehlen zwei Merkmale des Wolfgang Z. und jeweils drei Merkmale des Thomas H. des G..S. und des M.P. Für diese Personen gibt es daher weniger Hinweise als bei Harry Wörz, daß sie an der Entstehung der Spur beteiligt gewesen sein könnten.

Von keiner beliebigen Person kann aus kriminaltechnischer Sicht ausgeschlossen werden, daß sie mit dem Asservat Kontakt hatte, da es bei einer Berührung nicht zwangsläufig zur Übertragung von (ausreichend) DNA-haltigem Zellmaterial kommen muß.

 

 

Allgemeine Informationen:

DNA-Tests halten weltweit Einzug in Strafprozesse. In Großbritannien können bereits jährlich DNA-Profile von über 300.000 Menschen erfaßt werden. Als High-Tech-Version des Fingerabdruckes soll die DNA-Analyse zu einem sicheren Beweismittel werden.
Allerdings hat das Verfahren - besonders bei Verwendung sogenannter "mitochondrialer DNA-Proben" - erhebliche Schwächen. In einem einzigen Haar ein und derselben Person können zwischen Spitze und Wurzel mehrere verschiedene DNA-Profile enthalten sein. Auch zwischen unterschiedlichen Zelltypen des Körpers gibt es oftmals erhebliche Abweichungen.
Amerikanische Kriminalexperten sind sich sicher, daß es bereits zu fälschlichen Verurteilungen auf der Grundlage von DNA-Tests gekommen ist, etwa im Fall eines Mannes, der in Tennessee als Mörder einsitzt. Professor Jonathan Koehler von der University of Texas in Austin hat herausgefunden, daß es einen großen Unterschied macht, wie wissenschaftliche Daten im Gerichtssaal präsentiert werden. Wird den Geschworenen von Experten ein Verdächtiger mit der Aussage "Die Wahrscheinlichkeit, daß die DNA-Probe zu jemand anderem paßt als zu ihm, beträgt 0,1 Prozent" vorgestellt, halten sie ihn zumeist für schuldig. Hören sie indes "Jeder tausendste Bürger in dieser Stadt käme als Täter in Frage", so ist ein Freispruch wahrscheinlich.
Koehler geht davon aus, daß viele Gerichte den neuen kriminaltechnischen Verfahren wegen mangelhafter mathematisch-naturwissentschaftlicher Kenntnisse ihrer Mitglieder kaum gerecht werden können.



Zu Harry's Fall:

 

Donnerstag, den 15.02.2001

Experte: Doppelt getestet hält besser

Chef der Rechtsmediziner plädiert für zweites Gen-Gutachten in brisanten Fällen

Wasser auf die Harry Wörz' Mühlen

von PZ-Reporter Olaf Lorch

 

Auf ungeteilte Zustimmung stößt bei Dr.Hubert Gorka, Rechtsanwalt von Harry Wörz, eine Forderung von Deutschlands oberstem Gerichtsmediziner in Sachen "genetischer Fingerabdruck": Zumindest in herausragenden Fällen, so Professor Bernd Brinkmann (Münster), sei ein zweites DNA-Gutachten notwendig, wenn darauf ein Urteil basiere. Genau dies war im Strafverfahren gegen Harry Wörz der Fall, als ihn die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Karlsruhe wegen versuchten Mordes zu elf Jahren Haft verurteilte.

Das Gutachten wurde, wie in Baden-Württemberg üblich, nicht von einem freien Labor, sondern vom Landeskriminalamt erstellt. Und diese Behörde ist nun auch wieder im Zivilverfahren gefragt, in dem es um 300000 Mark Schmerzensgeld geht. Die Summe beanspruchen die Eltern des Opfers für sich. Es geht um die gleichen Spuren, um ihre Auswertung, den Ein- oder Ausschluss von Spurenverursachern und statistische Wahrscheinlichkeiten (die PZ berichtete).

Die Gefahr eines Fehlers bei der Gen-Analyse, so Brinkmann, sei zwar sehr gering, aber nicht völlig auszuschließen. Immerhin fänden zur Qualitätskontrolle seit Jahren groß angelegte Ringversuche statt. Die Fehlerquote bewegt sich laut Brinkmann mit drei Fehlern bei 3500 Einzelanalysen im Promillebereich. Von 60 teilnehmenden Labors hätten 58 absolut fehlerfrei gearbeitet. Der "genetische Fingerabdruck" sei zwar das "effizienteste Werkzeug beim Sachbeweis" geworden. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin vertritt die These, genau aus diesem Grund müssten höchste Anforderungen an die Sorgfalt gestellt werden. Auch wenn nur ein Fehler pro 10000 Untersuchungen vorkommen sollte, sei ein Zweitgutachten sinnvoll.

Im baden-württembergischen Justizministerium verlautet hierzu auf Anfrage, man wolle und könne es seitens des Gesetzgebers keinem Richter vorschreiben, welche und gegebenfalls wieviele Gutachten er einzuholen gedenke. Denn dies, so Ministeriumssprecher Andreas Singer, sei ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Im übrigen habe jeder Verteidiger die Möglichkeit, einem ersten missliebigen Gutachten ein zweites folgen zu lassen.

Da ist der Karlsruher Jurist Gorka anderer Auffassung: Der Experte des Landeskriminalamts habe im Schwurgerichtsverfahren dermaßen überzeugend argumentiert, dass man seitens der Verteidigung gar nicht auf die Idee gekommen sei, das Gutachten in Frage zu stellen. Erst nach und nach hätten sich im Laufe der Jahre bohrende Zweifel ergeben. Hätte bereits damals zwingend eine Vergleichs-Expertise angefertigt werden müssen, wäre vielleicht vieles anders verlaufen. Ist natürlich auch eine Frage des Geldes: Eine solche aufwendigeLabor-Untersuchung kostet locker einen fünfstelligen Betrag.

Brinkmann dient mit vielen anderen Praktikern der "Zeit"-Reporterin und Schriftstellerin Sabine Rückert als Kronzeuge für die Theorie, jeder zweite Mord bleibe in Deutschland unentdeckt. "Tote haben keine Lobby" (die PZ berichtete) ist ein brisanter Report über die Misere der Rechtssicherheit in Deutschland.